Corinna Engelhardt-Nowitzki

Komponistin

10 Mrz 2021
Abschied vom Nicht-Ort - viersätziges Streichquartett als Hommage an Ludwig van Beethoven
Kurze Werksbeschreibung

Satzbezeichnungen
1.  Aufbruch (Dauer 2‘13)
2.  Seitenblicke des Wanderers (Dauer 2‘30)
3.  Lebenswege (Dauer 2‘30)
4.  Utopia ist kein Nicht-Ort (Dauer 2’47)

Den Bezug zu Beethoven und zugleich zu Oberösterreich bildet die Sinfonie Nr. 8 F-Dur, op. 93. Diese hat Beethoven anlässlich eines Besuches bei seinem Bruder 1812 in Linz fertiggestellt. Wir wissen, dass diese (man vermutet einzige) Linz-Reise aus unerfreulichem familiären Anlass erfolgte, und dass er nach Regelung aller Angelegenheiten rasch wieder nach Wien reiste, wohl dem Saisonbeginn und seiner Verstimmung über die unziemliche Heirat des Bruders geschuldet. Überraschend heiter und humoristisch fällt angesichts dieser zwischenmenschlichen Konflikte seine „Sinfonia Lintz“ aus. Die Stadt als Schauplatz mag für Beethoven damals zweitrangig gewesen sein. Eile scheint kein reines Phänomen unserer Zeit zu sein.

Linz (und mit der Stadt auch die Region Oberösterreich) als austauschbarer „Nicht-Ort“? Als geographischer oder funktionaler Punkt, der nicht durch Ereignisse und Mythen eine eigene Identität entwickelt hat? Wir dürfen wohl annehmen: hätte der Meister, dem man Naturliebe und Inspirationssuche in langen Spazier­gängen nachsagt, Zeit und Muße gehabt, dann hätte Oberösterreich musikalische Spuren in seinem Schaffen hinterlas­sen können. Ob das zur Utopie, vielleicht sogar zur Blaupause einer ersehnenswerten Zukunft taugt, bedarf der persönlichen Antwort: Utopia beginnt in der Phantasie und damit individuell im Inneren eines Jeden. Sicher ist: Utopia hat Eigenschaften. Utopia polarisiert und prägt. Utopia versagt sich weder den unangenehmen noch den angenehmen Zügen. Ein „Nicht-Ort“ (Augé), d.h. ein monotoner oder stereotyper Raum ohne Bezug zu seinen Landschaften, den Eigenheiten der Menschen, den Zyklen der Natur und ohne Legenden kann kaum ein gewolltes Utopia sein. Man sagt Beethoven nach (und sieht in seiner Musik), er sei seiner Zeit weit voraus – utopisch (Adorno) – gewesen. Hätte er sich mehr Zeit nehmen können oder wollen: die Region Oberösterreich gäbe es her! Das vorgelegte Streichquartett denkt diese „Nicht-Reise“ Beethoven’s (quasi una phantasia) und nimmt Abschied vom „Nicht-Ort“: Die Musik erhebt Utopia zum Raum mit Eigenschaften.

Jeder der 4 Streichquartettsätze integriert dazu ein wenig musikalisches Material aus dem entsprechenden Satz der 8. „Linzer“ Sinfonie. Kompositorisch erfolgt dies in Form der Variation, Verfremdung und Weiter­entwicklung der ursprünglichen Motive. Von diesen gewollten und kurzen Bezügen zu Beethoven‘s 8. abge­sehen ist das eingereichte Streichquartett musikalisch eigenständig. 

Beethoven‘s 8. Sinfonie wird zuweilen als „verkannt“ bezeichnet. Einige sagen ihr nach, sie verblasse zwi­schen der 7. und 9. Sinfonie. Beschäftigt man sich näher mit der 8., findet man im Gegenteil Innovation, Temperament und Pluralität in reicher Fülle. Lässt man sich auf sie ein, zieht die 8. den Hörenden in ihren musikalischen Bann. In dieser Inspiration (wenngleich nicht nachahmend, sondern sich eigene Klang­bilder schaffend) ist dieses Streichquartett als Hommage an Ludwig van Beethoven und an die Region Oberösterreich entstanden.

 

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